C. Reinle: : Bauernfehden. Studien zur Fehdeführung Nichtadliger

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Titel
Bauernfehden. Studien zur Fehdeführung Nichtadliger im spätmittelalterlichen römisch-deutschen Reich, besonders in den bayerischen Herzogtümern.


Autor(en)
Reinle, Christine
Reihe
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Beihefte 170
Erschienen
Stuttgart 2003: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
589 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Ulf Wendler

Die Mannheimer Habilitationsschrift von Christine Reinle beschäftigt sich anhand altbayerischer Quellen mit dem Phänomen der Fehden Nichtadliger. Die Autorin verwendet häufig den Begriff der «Bauernfehde», einen eingängigen, aber vielleicht nicht ganz glücklich gewählten Ausdruck. Zur sozialen Verortung der von ihr untersuchten Fehdeführer lässt sich nur sagen, dass es keine Adligen und keine Stadtbürger waren. Im Blickpunkt stehen aufgrund der Quellenlage vor allem das 15. und frühe 16. Jahrhundert.

Wer heutzutage über Fehde schreibt, muss zu den Ansätzen Otto Brunners Stellung nehmen. Bei ihm ist in den letzten Jahren mit Recht auf seine Nähe zum nationalsozialistischen Gedankengut hingewiesen worden. So sind seine Ausführungen zwar nicht von vorneherein abzulehnen, müssen aber kritisch hinterfragt werden. Reinle ist insofern Brunner verpflichtet, als sie sich durch die «Rückbindung von Fehdeführung an Ordnungskonzepte mit Rechtscharakter und deren Ermittlung aus der sozialen Praxis heraus» (S. 344) diesem Themenkomplex nähert. Für sie ist das Fehderecht im Gegensatz zu den Auffassungen Brunners nicht einer adligen Herrenklasse vorbehalten, sondern ein schichtenübergreifendes Strukturmerkmal der spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gesellschaft.

Die Untersuchung gliedert sich in drei Teile: 1. Die Landfrieden, Landgebote und Landesordnungen des Spätmittelalters, 2. die mikrohistorische Darstellung mehrerer Fehden Nichtadliger und 3. die Elemente der Fehden aufgrund nieder nicht in erster Linie an Rechtsnormen, sondern an der Rechtswirklichkeit interessiert ist. Das Werk wird abgerundet durch eine ausführliche Darstellung der Literaturlage zu Beginn des Buches und zwei umfangreiche Anhänge («Urkundliches Material zur Fehdeführung Nichtadliger» und eine Übersicht über Fehden in den bayerischen Herzogtümern).

Christine Reinle arbeitet heraus, dass Befehdung keineswegs nur vom Adel ausging, sondern auch ein praktikables, aber risikoreiches Selbsthilfeinstrument anderer Bevölkerungsschichten war. Fehden Nichtadliger gab es nicht nur in Bayern, sondern in vielen Teilen Deutschlands. Sie lassen sich spätestens seit dem 11. Jahrhundert nachweisen und bildeten bis in das 17. Jahrhundert hinein ein Problem für die Obrigkeiten. Die Fehden standen im Zusammenhang mit weit verbreiteten Ordnungskonzepten und entsprachen dem Ehrenkodex der Zeit, so dass sie kein sozial abweichendes Verhalten waren. Doch standen Fehden im Wider - spruch zu obrigkeitlichen Normen des Spätmittelalters und wurden (zunehmend erfolgreich) kriminalisiert. Dies führte zusammen mit der wachsenden Schriftlichkeit zu einer besseren Dokumentation. Ob es zu einer Verstärkung der Fehdetätig - keit Nichtadliger um 1500 kam, lässt sich nicht abschliessend entscheiden.

Die materialreiche, unterschiedliche methodische und theoretische Ansätze reflektierende Darstellung ist gut lesbar, auch wenn die Autorin eine zu grosse Schwäche für lange und verschachtelte Sätze zeigt. Reinle behandelt die Fehden Nichtadliger in Altbayern in einer anregenden Weise. Forschungen in anderen Regionen werden die Anstösse dieser Arbeit dankbar aufnehmen.

Zitierweise:
Ulf Wendler: Rezension zu: Christine Reinle: Bauernfehden. Studien zur Fehdeführung Nichtadliger im spätmittelalterlichen römisch-deutschen Reich, besonders in den bayerischen Herzogtümern. Stuttgart, Franz Steiner Verlag, 2003. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 55 Nr.1, 2005, S. 124-125.

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Zuerst veröffentlicht in

Schweizerische Zeitschrift für Geschichte, Vol. 55 Nr.1, 2005, S. 124-125.

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